Zum Tode von Sabi­ne Bartsch

Und plötz­lich reden wir über´s Sterben

von

Sabi­ne Bartsch

Ges­tern war ich noch in der Puber­tät, ich schwö­re! Dann saß ich plötz­lich mit Freun­din­nen zusam­men, die über die Wech­sel­jah­re stöhn­ten. Ich hör­te weg. Nein, stimmt nicht, ich lach­te. Jeden­falls inner­lich. Wech­sel­jah­re, ha! Hun­dert Jah­re ent­fernt von mir. Und heu­te ste­he ich auf der Beer­di­gung von Con­ny, genau­so alt wie ich. Fünfundfünfzig.
Was ist hier eigent­lich los, ver­dammt? Ich war doch gera­de noch in der Puber­tät, hat­te das Leben vor mir. Wo ist mei­ne Zeit geblie­ben? Mei­ne ganz per­sön­li­che Lebens­zeit? Wie konn­te ich so vie­le Jah­re ein­fach ver­schwen­den, ver­le­ben, ohne zu genie­ßen. Jeden­falls, ohne bewusst zu genie­ßen? Geht das allen so? Sind wir Men­schen, deren eigen­stän­di­ges Merk­mal es doch angeb­lich ist, über Ver­stand und Gefühl zu ver­fü­gen, so däm­lich, unser Leben so unbe­wusst zu leben, dass wir irgend­wann auf­wa­chen und bemer­ken, dass – ups – schon fünf­und­fünf­zig Jah­re ver­gan­gen sind. Mehr als die Hälf­te von allem! Obwohl? Hun­dert­zehn? War­um nicht! Träum wei­ter, Baby!

Wo also ist mei­ne Lebens­zeit geblie­ben. War­um sind vier Wochen Urlaub anders als sechs Wochen Feri­en mit zehn?

Wir trau­ern von gan­zem Her­zen um die Autorin und Lite­ra­tur-Nord­ost-Peis­trä­ge­rin Sabi­ne Bartsch aus Lud­wigs­burg. Ihre Tex­te sprü­hen so vor Lebens­freu­de, Kraft und Humor, dass es uns schwer­fällt zu glau­ben, dass Sabi­ne Bartsch nun nicht mehr unter uns Leben­den weilt. Wir den­ken immer wie­der und ger­ne an die Lesung in Brü­sen­ha­gen zurück, wo sie Freu­de und Nach­denk­lich­keit glei­cher­ma­ßen säte und über­aus war­men Applaus ern­te­te. Ver­su­chen wir doch ihrer Auf­for­de­rung nach­zu­kom­men, genie­ßen das uns geschenk­te Leben – auch ger­ne mit einem guten Buch!

sabine-bartsch.de

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