Gehofft hatte ich auf den aus Israel stammenden Tomer Gardi. Interessant war hier insbesondere die Diskussion über die Frage, was „deutschsprachig“ sei. Sehr schnell verrannte sich die Jury in erstaunlich altmodische und konservative Vorstellungen, wie sich Literatur anzuhören habe – und damit, wer berechtigt ist, sie zu schreiben.
Diese Verirrungen blieben zum Glück singulär. So hat Sharon Dodua Otoo den Preis hoch verdient – wer erzählt schon aus der Sicht eines Eis? Aber ihr Text geht tiefer, er zeigt auf humorvolle Art die immer noch vorherrschenden patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft. Eine Erzählung als dringend notwendiger Spiegel, in den wir schauen, auf dass uns die Lust am Lachen vergeht.
Ästhetisch herausragend war Julia Wolf. Auf intellektuell höchstem Niveau, sprachlich fein ziseliert, dabei immer auch humorvoll, erzählt sie von einem alten Mann, der nach einer Kopfverletzung auf sein Leben, seine Identität und seine Sexualität zurückschaut. Unterschiedliche Zeit- und Erzählebenen fließen ineinander, sodass man am Ende nicht mehr genau weiß, was Wirklichkeit und was Traum ist. Leider hat es sich die Jury hier etwas leicht gemacht und den Text zu wörtlich genommen